Maßanalytische Wasseranalysen im Halbmikromaßstab

Ein Artikel von Wolfgang Proske und Volker Wiskampaus in Chemie & Schule 2/1995.

<H2 class="title"> Maßanalytische Wasseranalysen im Halbmikromaßstab </H2> <P class="content"> Wolfgang Proske und Volker Wiskamp <P> <H3> Einleitung </span> <P class="content"> In einem ökologisch orientierten Chemie- und Biologieunterricht spielt die Beurteilung der Güte von Gewässern eine große Rolle. Zuverlässige Ergebnisse erzielt man nur, wenn die Wasserproben direkt an Ort und Stelle analysiert werden, denn nur so kann ein möglicher Fehler durch Veränderung der Zusammensetzung der Probe zwischen dem Zeitpunkt der Probennahme und der Analyse im Schullabor vermieden werden. Die Vor-Ort-Analysen können mit analytischen Schnelltests erfolgen, die in der Handhabung einfach sind und gute und reproduzierbare Ergebnisse liefern. Ihr Einsatz ist aber nur sinnvoll, solange das Lernziel allein die Beurteilung der Wasserqualität ist. Sollen hingegen außerdem Methoden der Wasseranalytik und die damit verbundenen chemischen Grundlagen vermittelt werden, muß auf klassische Verfahren der Maßanalyse zurückgegriffen werden. <BR> Nachteilig beim Arbeiten mit Büretten, Pipetten, Meß- und Erlenmeyerkolben vor Ort ist, daß der Transport der Glasgeräte problematisch und wegen nicht auszuschließendem Glasbruch auch nicht ungefährlich und der Zeitaufwand für die Titrationen recht groß ist. Außerdem ist es gerade in einem Ökologie-Praktikum didaktisch wenig sinnvoll, große Mengen an Maßlösung zu verbrauchen (was zusätzlich teuer ist!) und entsprechend große Mengen Analysenabwässer zu produzieren.<BR> Günstiger ist es deshalb, die Titrationen im Halbmikromaßstab unter Verwendung einer 10-mL-Injektionsspritze zur Probennahme, einer 1-mL-Tuberkulinspritze mir 0,01-ml-Teilung und dünner Kanüle als "Bürette" und systematischen Maßlösungen durchzuführen.<BR> Im folgenden wird die halbmikroanalytische Bestimmung wichtiger Wasserparameter wie Carbonat- und Gesamthärte, Chlorid- und Sauerstoffgehalt beschrieben. <P> <H3> Chemische Grundlagen derBestimmungen </span> <P> <span class="content">Die Bestimmung der <B> Carbonathärte </B>erfolgt durch Titration mit einer Salzsäure-Maßlösung. Im pH-Bereich 8,3 (Umschlag von Phenolphthalein) bis 4,3 (Umschlag eines Methylrot/Bromcresol-grün-Mischindikators) laufen folgende Reaktionen ab (vergl. [1]):</span> <P> <PRE> CO32- 2 HCl -> 2 Cl- H2O CO2 HCO3- HCl -> Cl- H2O CO2 </span> <span class="content"> Bei der Gesamthärtebestimmung wird die Summe der Konzentrationen an Mg- und Ca-Ionen im Wasser durch komplexometrische Titration bei pH 10 gegen Erio T (Indikatorpuffertablette) bestimmt:<BR> </span> <span class="content"> M2 EDTA4- -> [MEDTA]2-; M = Ca, Mg . </span> <span class="content"> Der Calciumgehalt alleine wird bestimmt, nachdem das Magnesium mit Natronlauge als Mg(OH)2 ausgefällt wurde. Als calciumspezifischer Indikator dient dabei Calconcarbonsäure. Die <B>Chlorid</B>bestimmung nach <I> Mohr </I>erfolgt durch Fällungstitration mit einer AgNO3-Maßlösung:</span> <P> Cl- Ag * AgCl</span> <P> Als Indikator wird eine kleine Menge Kaliumchromat verwendet, aus dem schwerlösliches Ag2CrO4 entsteht, sobald das Chlorid vollständig ausgefällt ist und AgNO3-Maßlösung im Überschuß vorliegt. Der weiße AgCl-Niederschlag nimmt dann eine rötliche Farbe an.<BR> Die Bestimmung von im Wasser gelösten <B> Sauerstoff </B>beruht auf einer Folge von Redoxreaktionen [2]. Zunächst oxidiert der Sauerstoff zugesetztes zweiwertiges Mangan im alkalischen Medium zum vierwertigen:<BR> </span> <span class="content"> 2 Mn2 O2 4 OH- -> 2 MnO(OH)2 Beim Ansäuern komproportioniert der gebildete Braunstein mit überschüssigem zweiwertigen Mangan zum dreiwertigen, MnO(OH)2 Mn2 4 H -> 2 Mn3 3 H2O, das zugesetztes Iodid zu elementarem Iod oxidieren kann: 2 Mn3 2 I- -> 2 Mn2 I2 Die entstandene Menge Iod korrespondiert also mit der ursprünglich im Wasser vorhandenen Menge Sauerstoff und kann mit einer Thiosulfat-Maßlösung titrimetrisch erfaßt werden: I2 2 S2O32- -> 2 I- S4O62-</span> <H3 class="titlecontent"> Rechnerische Grundlagen der Maßanalysen </H3> <P> <span class="content">Um bei einer Vielzahl gleichartiger Analysen den stöchiometrischen Rechenaufwand möglichst gering zu halten, schlagen wir die Verwendung sogenannter systematischer Maßlösungen [1] vor, worunter man solche Maßlösungen versteht, von denen 1 mL bei einem vorgegebenen Probenvolumen die besonders anschaulichen Werte 10° d.H. bzw. 100 mg/L Cl- bzw. 20 mg/L O2 anzeigen. Systematische Maßlösungen können im Chemikalienhandel gekauft oder vom Lehrer vor dem Unterricht aus den üblichen 0,1 molaren Maßlösungen durch Verdünnen folgendermaßen hergestellt werden: 0,0356 molare HCl: 35,6 mL 0,1 molare HCl-Maßlösung werden aus einer Bürette in einen 100-mL-Meßkolben gegeben und dieser bis zur Eichmarke mit destilliertem Wasser aufgefüllt. Analog wird eine 0,0178 molare EDTA- aus 17,8 mL 0,1 molarer EDTA-, eine 0,0282 molare AgNO3- aus 28,2 mL 0,1 molarer AgNO3- und eine 0,0125 molare Na2S2O3- aus 12,5 mL 0,1 molarer Na2S2O3-Maßlösung hergestellt. (Hinweis: zwecks Stabilisierung der Na2S2O3-Lösung sollte vor dem Auffüllen mit Wasser eine Mikrospatelspitze Soda und 1 Tropfen Butanol oder Pentanol zugesetzt werden). Nach dem Herstellen werden die HCl-, EDTA- und Thiosulfat-Maßlösungen in saubere und trockene Polyethenfläschchen und die lichtempfindliche AgNO3-Maßlösung in eine Braunglasflasche umgefüllt und lassen sich gefahrlos transportieren. Im Unterricht können die rechnerischen Zusammenhänge hergeleitet werden:<BR> </span> <span class="content"> -1,0 mL 0,0356 molare HCl = 0,0178 mmol CO32-/10 mL = 0,0178 mmol Ca2 /10 mL = 0,0178 mmol CaO/10 mL = 1,0 mg CaO/10 mL = 100 mg CaO/L = 10° d.H. -1,0 mL 0,0178 molare EDTA = 0,0178 mmol Ca2 /10 mL = 0,0178 mmol CaO/10 mL = 1,0 mg CaO/10 mL = 100 mg CaO/L = 10° d.H. (1,0 mL 0,0178 molare EDTA = 0,0178 mmol Ca/10 mL = 0,712 mg Ca/10 mL = 71,2 mg Ca/L. Der Magnesiumgehalt berechnet sich aus der Differenz des Verbrauches an Maßlösung für die Gesamthärte- und die Ca-Bestimmung. 1,0 mL 0,0178 molare EDTA = 43,0 mg Mg/L). -1,0 mL 0,0282 molare AgNO3 = 0,0282 mmol Cl-/10 mL = 1,0 mg Cl-/10 mL = 100 mg Cl-/L. -1,0 mL 0,0125 molare Na2S2O3 = 0,0063 mmol I2/5 mL = 0,0063 mmol MnO2/5 mL = 0,0031 mmol O2/5 mL = 0,1 mg O2/5 mL = 20 mg O2/L.</span> <H3 class="titlecontent"> Durchführung der Analysen </H3> <P> <B> <I> <span class="content">Geräte: </span>10-mL-Injektionsspritze (im Fachhandel für Ärztebedarf erhältlich; ca. 1 DM/Stück), 1-mL-Tuberkulinspritzen mit 0,01-mL-Teilung und Kanüle (aus der Apotheke, ca. 30 DM/100 Stück), mehrere 25- oder 50-mL-Erlenmeyerkolben als Titriergefäße, 50-mL-Enghalsflasche (farblos) mit Schliffstopfen, 10-mL-Polyethenfläschchen für die Indikator- und Reagenzlösungen (s.u.), kleine Braunglasflasche für die AgNO3-Maßlösung, Trichter, dazu passendes Filterpapier.</span> <P> <span class="content"> <B> Chemikalien: </B>Systematische Maßlösungen (s.o.), 1%ige Phenolphthaleinlösung, Carbonathärte-Mischindikator nach Cooper (20 mg Methylrot und 100 mg Bromcresolgrün in 100 mL Ethanol), Indikatorpuffertabletten, 2-3%ige NH3-Lösung, 4 %ige Natronlauge, Calconcarbonsäure (1%ige Verreibung mit Na2SO4), 2%ige K2CrO4-Lösung, MnCl2-Lösung (40 g MnCl2 * 4 H2O in 100 ml destilliertem Wasser), alkalische KI-Lösung (18 g NaOH und 30 g KI zu 100 mL lösen), Mischsäure (200 mL dest. Wasser, 25 mL 85%ige H3PO4, 25 mL konz. H2SO4), 1%ige Stärkelösung (frisch bereitet durch Aufkochen von Stärke in dest. Wasser, Filtration) oder ZnI2-Stärkelösung, Na2SO3,destilliertes Wasser. </span> <P> <span class="content"> <B> Bestimmung der Carbonathärte: </B>Mit einer Injektionsspritze werden 10 mL Wasserprobe gezogen, in einen Erlenmeyerkolben gegeben und mit 1 Tropfen Phenolphthaleinlösung versetzt. Falls die Probe rot wird, muß durch langsames Zutropfen von HCl gerade entfärbt werden, bevor 2 Tropfen Mischindikator nach Cooper zugesetzt werden. (Bleibt die Probe bei der Phenolphthaleinzugabe farblos, kann der Mischindikator sofort zugesetzt werden). Jetzt erfolgt die eigentliche Titration unter leichtem Schwenken des Kolbens mit systematischer Salzsäure bis zum Farbumschlag von Blau nach Rot. Als "Bürette" dient dabei eine gefüllte 1-mL-Tuberkulinspritze mit Kanüle.</span> <P> <span class="content"> <I> Bestimmung des Calciumgehaltes: </I>10 mL Wasserprobe werden mit 10 Tropfen Natronlauge und einer Mikrospatelspitze Calconcarbonsäureverreibung versetzt und unter leichtem Schwenken des Kolbens mit einer systematischen EDTA-Maßlösung bis zum Farbumschlag von Rotviolett nach Reinblau titriert.</span> <P> <span class="content"> <I> Bestimmung der Gesamthärte: </I>10 mL Wasserprobe werden mit einer halben Indikatorpuffertablette und mit 10 Tropfen Ammoniaklösung versetzt und mit einer systematischen EDTA-Lösung bis zum Farbumschlag von Rot nach Grün titriert.</span> <P> <span class="content"> <I> Chloridbestimmung: </I>10 mL Wasserprobe werden mit 2 Tropfen Kaliumchromatlösung versetzt und mit systematischer Silbernitratlösung titriert, bis sich der Niederschlag von gelb nach dunkelorange verfärbt. Die austitrierte Reaktionsmischung wird filtriert und das Filtrat mit einer Spatelspitze Na2SO3 versetzt, um restliches gelöstes und giftiges sechswertiges Chrom zu dreiwertigem zu reduzieren. Dann wird die Lösung neutralisiert. Nach erneuter Filtration wird das Filtrat verworfen. Die Filterrückstände werden zu den Feststoffabfällen gegeben.</span> <P> <span class="content"> <I> Bestimmung des Sauerstoffgehaltes: </I>Die 50-mL Enghalsflasche wird unter Wasser komplett gefüllt, wobei darauf zu achten ist, daß keine Luftblasen eingeschlossen werden. Ebenfalls unter Wasser werden nacheinander 5 Tropfen Mangan(II)chlorid- und 5 Tropfen alkalische KI-Lösung in die Flasche getropft. (Die Lösungen sind schwerer als Wasser und bleiben daher kurzzeitig am Boden des Gefäßes, wenn die verwendete Pipette so tief in dieses eingetaucht wird. Beim Pipettieren ist darauf zu achten, daß keine Luftblasen in die Flasche eingeschleust werden). Der Stopfen wird schnell aufgesetzt. Dann wird gut gemischt, bis sich ein mehr oder weniger stark brauner Niederschlag gebildet hat. Man läßt diesen im unteren Drittel der Flasche absitzen, öffnet diese kurz und gibt 10 Tropfen Mischsäure zu, verschließt die Flasche schnell wieder, schüttelt um und wartet bis der Flascheninhalt völlig klar ist. (Jetzt ist die Reaktionslösung nicht mehr luftempfindlich!). Man entnimmt der Flasche eine 5-mL-Probe (Meßzylinder-Genauigkeit reicht hier aus) und spült sie mit etwas destilliertem Wasser in einen Erlenmeyerkolben, setzt 2 Tropfen Stärkelösung zu und titriert mit systematischer Thiosulfatlösung bis die tiefblaue Lösung farblos wird.</span> <P> <H4> Schluß </span> <span class="content">Wichtige Parameter zur Beurteilung der Güte von Gewässern können einfach, schnell, sicher, billig und umweltfreundlich durch Maßanalysen im Halbmikromaßstab bestimmt werden. Die hier beschriebenen Versuche ermöglichen die Kombination von Lernzielen zur Ökologie und analytischen Chemie sowie zum chemischen Rechnen. </span> <P> <span class="content"> Wir danken der Deutschen Bundesstiftung Umwelt für die finanzielle Unterstützung der hier beschriebenen experimentellen Arbeiten.</I> <P> <span class="content"> Literatur [1] E. Merck: Schnelltest-Handbuch, Darmstadt. [2] R. Czensny: Wasser-, Abwasser- und Fischereichemie, VEB Verlag Technik, Berlin, 1660, S. 303-304. Korrespondenzanschriften: W. Proske, Bahnhofstraße 18, 06895 Zahna ;Prof. Dr. V. Wiskamp, Fachhochschule Darmstadt, Fachbereich Chemische Technologie, Hochschulstraße 2, 64289 Darmstadt</span>

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
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Veröffentlicht am
18.10.2001
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